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Herzwürmer - Dirofilariose

Prof. Dr. Gerhard Wess

Dipl. ECVIM-CA (Innere Medizin), Dipl. ECVIM-CA (Kardiologie), Dipl ACVIM (Kardiologie)

Leiter der Abteilung für Tierkardiologie der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München

Was sind Herzwürmer?

Die Herzwurmerkrankung wird auch Dirofilariose genannt. Die Ursache der Herzwurmerkrankung ist ein Parasit vom Typus der Nematoden (Fadenwürmer) namens Dirofilaria inmitis und allgemein als Dirofilarie bekannt.

Er lebt vorallem in den der Lunge angrenzenden grossen Blutgefässen, weshalb der Name "Herzwurm" eigentlich irreführend ist. Ein Hund kann von einem oder von hunderten von erwachsenen Fadenwürmern befallen werden, die eine Länge von 15 - 35 cm erreichen können.

 

Wo kommen Herzwürmer vor?

Die Herzwurmerkrankung ist in Europa hauptsächlich in den Mittelmeerländern verbreitet.

Besonders stark betroffene Länder sind die Inseln des Kanarischen Archipels, Südfrankreich, Spanien, sowie die italienische Po Ebene. Auch in Valencia, Murcia und Andalusien kommt diese Krankheit vor. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist sie eine Seuche grössten Ausmaßes und hat sich in den letzten zwanzig Jahren rasch verbreitet. Obwohl es sich hauptsächlich um eine Hundekrankheit handelt, so kann dieser Parasit auch Katzen, Frettchen, Füchse, Kojoten und Wölfe befallen.

KLinik

Klinisch sind oft zunächst keine Anzeichen zu erkennen. Wenn Symptome auftreten, dann vorwiegend respiratorische, wie Husten und Tachy- bzw. Dyspnoe. Außerdem können Leistungsschwäche, Gewichtsverlust und selten Synkopen oder Aszites als Folge des Rechtsherzversagens auftreten.
Während lebende Herzwürmer eine Endoaarteritis und muskuläre Hypertrophie der Arteriolenwände verursachen können, verursachen  eher sterbende und tote Würmer einen großen Teil der Pathologie, die sich in einer klinischen Erkrankung äußert. Wenn die Würmer aufgrund natürlicher Bedingungen oder als Folge einer Therapie sterben, werden sie abgebaut und ihre Fragmente setzen sich  in den distalen pulmonalen Arteriolen oder den Kapillaren in den hinteren Lungenlappen fest und blockieren so den Blutfluss. Eine Entzündung wird hervorgerufen  und geht mit einer Plättchenagglutination einher, die in einer Thrombembolie endet. In Phasen mit erhöhter Aktivität des Hundes kann es passieren, dass durch den zusätzlich steigenden Blutfluss Richtung dieser blockierten Gefäßabschnitte eine Ruptur  mit anschließender  Fibrose die Folge sein kann. Der  pulmonale vaskuläre Druck steigt darauf an und es kann aufgrund der pulmonären Hypertonie zu Rechtsherzversagen kommen.

Welche Symptome zeigen infizierte Hunde und Katzen?

Manche Hunde, vor allem junge Tiere, die nur an leichter sich erst unlängst zugezogener Verseuchung leiden, weisen keine Anzeichen dieser Krankheit auf. Ein Hund, der schon längere Zeit an Dirofilarioses leidet, kann Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und chronischen Husten aufweisen, ermüdet schnell bei körperlicher Bewegung und kann während oder nach der körperlichen Anstrengung aufgrund von Herzinsuffizienz sogar ohnmächtig werden. Die Herzinsuffizienz ist am Schwellbauch (Aszites) zu erkennen, was auf einen Flüssigkeitsstau im Unterleib zurückzuführen ist. Bei manchen stark verseuchten Hunden erscheint das sogenannte ,,Hohlvenen-Syndrom" (Cavalsyndrom). Durch eine grosse Anzahl von Fadenwürmern wird die Öffnung der Klappe zwischen der rechten Herzkammer und der Hohlvene verstopft, die das Blut zum Herz zurückführt. Ein Hund in diesem Stadium leidet plötzlich an Schwäche, wird lustlos und verliert den Appetit. Der Harn färbt sich dunkelbraun und das Tier leidet an Anämie und Gelbsucht.

Hier nochmals eine Zusammenfassung der Symptome:

Meistens keine klinischen Zeichen!!!

Respiratorische Anzeichen:

Husten mit Abstand häufigste klinische Zeichen

Tachypnoe und Dyspnoe mit schwerer Erkrankung

Leistungsschwäche

Gewichtsverlust

Synkopen (selten)

Aszites (selten)

Erbrechen (Katze)

Sekundentod (Katze)

Übertragung und Lebenszyklus Herzwürmer

Übertragen wird Dirofilaria immitis über Stechmücken. Diese stellen den essentiellen Zwischenwirt dar, in dem die Entwicklung der bei der Blutmahlzeit aufgenommenen L1, über zwei Häutungen, zur infektiösen L3 stattfindet. Diese Entwicklung dauert etwa 2 - 3 Wochen und wird durch Umwelteinflüsse, wie z.B. die durchschnittliche Tagestemperatur (ab 27°C und 80% Feuchtigkeit 10-14 Tage).
Die Mücke überträgt die L3 beim Saugakt auf den Wirt, in dem sie sich, zunächst in der Subkutis, innerhalb von 1- 2 Wochen zur L4 und anschließend im Gewebe (30 -  60 Tage) zur L5 entwickelt. Diese präadulte Form dringt ins Gefäßsystem ein und erreicht etwa 100 Tage nach Infektion die Pulmonalarterien, in denen sie sich ansiedelt. Liegen günstige Bedingungen vor, werden die Weibchen geschlechtsreif und produzieren Mikrofilarien (L1), die im peripheren Blut und anderen Körperflüssigkeiten lokalisiert sind. Der komplette Zyklus bis zur Geschlechtsreife dauert mindestens 5 – 6 Monate.
Adulte Würmer führen zu Entzündungsreaktionen in den Pulmonalarterien, zu eosinophiler Pneumonitis, sowie zu Thromboembolie. Diese reaktiven Gefäßläsionen führen zur Einengung der Gefäße. Sind 2/3 der Lungengefäße verstopft, entsteht eine pulmonäre Hypertension. Anstrengung verschlimmert den Gefäßschaden aufgrund des erhöhten Blutflusses in den Pulmonalarterien.


Wolbachien


Dirofilaria immitis beherbergt ein obligat intrazelluläres, gram- negatives Bakterium des Genus Wolbachia (Rickettsiales). Dieses Bakterium ist für die Entwicklung und Reproduktion der Dirofilarien notwendig. Werden die Herzwürmer abgetötet, werden Wolbachien freigesetzt, deren Oberflächenproteine für Entzündungsreaktionen in der Niere und der Wand der Pulmonalarterien verantwortlich sind. Zudem unterdrücken sie die Immunantwort des Wirtes gegen Dirofilarien. 
Klinik
Klinisch sind bei geringem Befall meist keine Anzeichen zu erkennen. Wenn Symptome auftreten, dann vorwiegend respiratorische, wie Husten und Tachy- bzw. Dyspnoe. Außerdem können Leistungsschwäche, Gewichtsverlust und selten Synkopen oder Aszites als Folge des Rechtsherzversagens auftreten.


Diagnostik


Antigen-Tests


Die derzeitigen Herzwurm-Antigen Tests können okkulte Infektionen bestehend aus mindestens einem adulten weiblichen Wurm nachweisen und haben eine Spezifität von fast 100%. Unterschiede in der Sensitivität bestehen vor allem in Fällen mit wenig Wurmbefall und/oder wenig Antigen im Blut. Das Antigen stammt aus dem Uterus gravider Weibchen oder aus den Eiern, weshalb sich der Test nur zum Nachweis weiblicher Herzwürmer eignet.
Der Antigen-Test ist sensitiver als der Mikrofilarien-Nachweis, da dessen Sensitivität durch die monatlichen Präventionsmaßnahmen eingeschränkt wird. Falsch-positive Resultate sind meist auf technische Fehler zurückzuführen. Falsch-negative Ergebnis können bei Infektionen mit unreifen Stadien, geringer Anzahl an weiblichen Würmern, bei sterilen Herzwürmern oder Infektionen mit ausschließlich männlichen Würmern vorkommen.
Außerdem kann das Ergebnis falsch-negativ sein, wenn zirkulierendes Antigen Komplexe mit Antikörpern bildet, und somit nicht genügend freies Antigen zum Nachweis vorliegt.
Der Antigen-Test eignet sich bei anamnestischem Verdacht, bei klinischen Anzeichen, die auf eine Herzwurmerkrankung hinweisen oder zur schnellen Bestätigung der Herzwurminfektion. Dieser Test funktioniert unabhängig davon, ob Mikrofilarien zirkulieren.
Nachteil des Tests ist, dass zirkulierendes Antigen erst nachweisbar ist, wenn tragende Weibchen im Körper vorhanden sind. Er wird also frühestens 6-7 Monate nach Infektion positiv.
Der Antigen-Test sollte nach einer adultiziden Therapie wiederholt werden. Das Ergebnis sollte dabei nach 6 Monaten negativ ausfallen.


Mikrofilarien-Tests


Mikrofilarien im Blut können durch mikroskopische Blutuntersuchung nachgewiesen werden Der modifizierte Knott Test bleibt hier der bevorzugte Test.
Beim modifizierten Knott Test mischt man 1 ml Blut mit 9ml 2%iger Formalin-Lösung in einem Röhrchen. Nach Zentrifugation wird das Präparat unter 100- bzw. 400-facher Vergrößerung unter dem Mikroskop auf Mikrofilarien untersucht. So kann man Mikrofilarien von D. immitis und von nicht-pathogenen Acanthocheilonema reconditum unterscheiden.


Andere diagnostische Mittel


Röntgen


Röntgenaufnahmen können helfen den Schweregrad der Herz- und Lungenerkrankung und die Prognose besser einzuschätzen. Typische Anzeichen einer Herzwurm Erkrankung sind erweiterte Äste der Pulmonalarterien, v.a. im kaudalen Lungenlappen, wo man auch die frühesten Veränderungen sehen kann. Bei hochgradigem Befall kann es zu einer Rechtsherz-Vergrößerung kommen.


Im Bild ein schwerer Herzwurmbefall.


Ultraschall


Der Ultraschall ermöglicht eine Beurteilung der Auswirkung der Herzwurm-Infektion auf die Funktion und Anatomie des Herzens. Ein leichter Befall ist schwer im Ultraschall zu erkennen, da sich hier die Würmer auf die peripheren Äste der Pulmonalarterien beschränken. Sind viele Würmer vorhanden können sie in proximalen Ästen der Pulmonalarterie oder im rechten Herzen zu sehen sein. Bei Hunden mit Hämoglobinurie liefert der Nachweis von Herzwürmern im Bereich der Trikuspidalklappe die Bestätigung des Caval-Syndroms.
Herzwurmprophylaxe
Die gegenwärtig genutzten Medikamente zur Herzwurmprävention gehören zur Klasse der Makrozyklischen Laktone (Ivermectin, Milbemycin, Moxidectin und Selamectin). Diese Art der Medikamente schädigen sowohl Mikrofilarien, als auch das Stadium der Larve 3 und 4 und in einigen Fällen bei kontinuierlicher Anwendung adulte Herzwürmer. 


Prinzipien der Herzwurmbehandlung


Die Ziele der Therapie sind die Verbesserung des klinischen  Befindens des Patienten, die Elimination aller Stadien der Herzwürmer, sowie die Nebenwirkungen durch die Therapie möglichst klein zu halten. Hunde, die signifikante klinische Symptome einer Herzwurminfektion zeigen, sollten vor der Applikation eines Adultizids stabilisiert werden. Die Anzahl an Würmern hat einen Effekt auf den Schweregrad der Infektion, ebenso die Aktivität des Hundes.


Makrozyklische Laktone


Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein positiv getesteter Hund nicht nur mit adulten Herzwürmern, sondern auch mit jungen Larvenstadien befallen ist. Melarsomin ist nicht gegen die jungen adulten Herzwurmstadien wirksam. Diese Empfänglichkeitslücke kann durch die präventive Gabe von makrozyklischen Laktonen 2 bis 3 Monate bevor man Melarsomin verabreicht, geschlossen werden. 


Doxycyclin


Neuste Studien haben gezeigt, dass ein Hauptoberflächenprotein der Wolbachien eine spezifische IgG-Antwort hervorruft und dadurch zu pulmonalen und renalen Entzündungsvorgängen beiträgt. Deshalb wird in den neuen Therapieschemen empfohlen vor der Melarsomintherapie Doxycyclin (10 mg/kg BID) für 4 Wochen zu verabreichen. 


Melarsomin


Melarsomin wird durch intramuskuläre Injektion in die Lumbalmuskulatur verabreicht (zwischen L3 und L5). Milde Schwellungen und Muskelkater an der Injektionsstelle können ein paar Tage danach noch anhalten. Es ist wichtig die Bewegung während des Eliminierungsprozesses zu reduzieren, um so kardiopulmonäre Komplikationen zu minimieren. Früher wurde eine zweimalige Melarsomin-Injektion für milde Stadien und eine dreimalige Injektion für hochgradige Stadien empfohlen. Aufgrund der höheren Wirksamkeit wird nun für alle Patienten das 3-Stufen-Protokoll aufgrund der besseren Wirksamkeit empfohlen (Tabelle 1).


Pulmonäre Thrombembolie


Pulmonale Thrombembolie ist eine Konsequenz von einer erfolgreich verlaufenden adultiziden Therapie. Wenn sich Symptome von einer Embolie entwickeln (niedriges Fieber, Husten mit eventuellem Blutauswurf,  Verschlimmerung von Rechtsherzversagen), dann sind sie meist ab dem 7-10. Tag offensichtlich, gelegentlich erst ab 4 Wochen nach Abschluss der adultiziden Therapie. Milde Embolien in relativ gesunden Arealen der Lunge können auch klinisch inapparent erscheinen. Ein entscheidender Faktor für die Reduzierung des Risikos für Thrombenembolie, ist die strikte Einschränkung der Aktivität des Patienten durch Leinenzwang.


Ergänzungstherapie


Steroide


Die Verabreichung von anti-inflammatorisch wirkenden Glucocorticoiden hilft klinische Anzeichen der  Thrombenembolie unter Kontrolle zu halten. In endemischen Gebieten, in denen die Tiere voraussichtlich unter einer viel höheren Herzwurmbelastung leiden, können Glucocorticoide wie Prednisolon gegeben werden. Die normale Dosierung beträgt 0,5 mg/kg BID für 1 Woche und für die 2. Woche 0,5 mg/kg SID danach 0,5 mg/kg EOD.


NSAIDs/Aspirin


Aspirin wurde gelegentlich wegen des antithrombotischen Effektes oder um die pulmonäre Arteritis zu reduzieren eingesetzt, wird aber inzwischen nicht mehr für die Herzwurmbehandlung des Hundes empfohlen. 


Alternative Therapien:


Langfristige Gabe von Makrozyklischen Laktonen
Die „slow-kill-Methode“ mit fortlaufenden monatlichen Verabreichungen von prophylaktischen Dosen wird nicht empfohlen. Es dauert ca. 2 Jahre bis 95% alles adulter Herzwürmer eliminiert werden und es können resistente Subpopulationen entstehen.


Bestätigung der Adultizidwirksamkeit:


Der Herzwurm-Antigen-Test ist die zuverlässigste Methode der Bestätigung der Adultizidtherapie und sollte ca. 6 Monate nach der Behandlung durchgeführt werden. 


Therapieschema Herzwürmer


Tag

Therapie

0

Diagnose mittels Antigentest und Mikrofilarien-Test, evtl. WH des AG-Tests.
Bei symptomatischen Hunden Stabilisierung mit Steroiden

1

Beginn mit makrozyklischen Laktonen

1 - 28

Doxycycline 10 mg/kg BID

30

Makrozyklische Laktone

60

Makrozyklische Laktone
erste Melarsomin Injektion 2,5 mg/kg IM 
Leinenzwang! Kortison bei Hunden mit hochgradigem Befall

90

zweite Melarsomin Injektion

91

dritte Melarsomin Injektion
weitere 6-8 Wochen Leinenzwang. Kortison bei Hunden mit hochgradigem Befall.

120

Mikrofilarientest, falls positiv erneute Therapie

270

Antigentest

Chirurgische Extraktion von adulten Herzwürmern:


Caval-Syndrom (Herzwurm-Hämoglobinurie)
Das Caval-Syndrom entwickelt sich akut bei einigen stark infizierten Hunden, wenn durch adulte Würmer den Blutfluss durch die Trikuspidalklappe teilweise gestört wird bzw. diese verschlossen wird. Die Erkrankung geht einher mit schweren Lethargien, Dyspnoe, blassen Schleimhäuten, Schwäche, Leberrückstau und wird häufig von Hämoglobinämie und Hämoglobinurie begleitet. Weiterhin kann ein lautes Herzgeräusch aufgrund einer Trikuspidalregurgitation und ein pulsierender Jugularvenenpuls festgestellt werden. Die Diagnose wird mittels Ultraschall gestellt, bei dem man Würmer an der Trikuspidalklappe und / oder der hinteren Hohlvene vorfindet. Die Herzwürmer müssen in einem solchen Fall chirurgisch z.B. mittels einer Ishihara Zange entfernt (Abb 4). Der Zugang erfolgt über die Jugularvene und die Entfernung der Herzwürmer findet unter Durchleuchtung statt. Es wird eine Adultizidtherapie nach der OP empfohlen, um noch eventuell verbliebene Würmer zu beseitigen.


Elimination von Mikrofilarien:


Aktuelle Protokolle,  bei denen Doxycyclin in Kombination mit regelmäßigen vorbeugenden Dosen von Makrozyklischen Laktonen verabreicht wurden, haben die Notwendigkeit von post-adultizid-Elimination der Mikrofilarien beseitigt. Ein Mikrofilarien-Test sollte bei mit Adultizidtherapie behandelten Hunden 6 Monate nach Behandlung durchgeführt werden.