Sotalol und allgemein Antiarrhythmika

Hier beantworten wir Fragen zu Herzerkrankungen

Moderator: j.schöbel

Michael
Beiträge: 16
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Sotalol und allgemein Antiarrhythmika

Beitrag von Michael »

Hallo,

meine 9,5 Jahre alte Deutsche Dogge (Brutus) hat DCM in einem frühen Stadium und bekommt bereits seit April 2014 Vetmedin.

Ich hatte diesbezüglich hier damals schon einige Fragen gestellt: http://www.tierkardiologie.lmu.de/sys/c ... 0094/19#19

Die Krankheit hat sich im Herzultraschall nur minimal verschlechtert und Brutus hat keinerlei Symptome. Im Gegenteil sind stundenlange Spaziergänge und dabei toben mit anderen Hunden trotz der DCM und trotz seines Alters noch möglich. Das er überhaupt Probleme hat zeigt sich nur bei den Untersuchungen.

Jetzt wurde aber ein 24-Stunden-EKG (bzw. 21 Stunden, da dann die Kontakte verrutscht sind) gemacht mit einem leider überhaupt nicht erfreulichen Ergebnis. Er hatte in diesen 21 Stunden 2.148 ventrikuläre Extrasystolen, davon 18 Salven und 55 Bigeminus. Außerdem gab es 133 Supraventrikuläre Extrasystolen (0 Salven, Bigem.). Die Durchschnittsherzfrequenz lag bei 87 Schlägen.

Laut Kardiologe existieren ansonsten keine Werte, welche eine Gefährlichkeit anzeigen (steht im Befund!). Auch hat der Kardiologe mir geschrieben, dass er trotz der Extrasystolen, aber in Verbindung mit dem Ultraschall, die Gefahr des Sekundentodes derzeit als sehr gering einschätzt. Dennoch empfiehlt er eine Behandlung mit Sotalol. Die Dosis soll langsam gesteigert werden bis zu einer finalen Dosis von 1-2,5mg/kg/12Stunden.

Mich verunsichert diese Empfehlung für einen Hund ohne Symptome. Ich hatte vor 10 Jahren mit meinem früheren Hund schlechte Erfahrungen mit Antiarrhythmika gemacht. Er war nach der Einnahme sehr lethargisch.

Meine Fragen:

1) Welche Erfahrungen haben Sie mit Sotalol in Bezug auf Therapieerfolg und Nebenwirkungen allgemein? Wie schätzen Sie außerdem die Gefahr ein, dass gerade das Medikament gefährliche Arrhytmien verursacht oder gar Torsades de pointes?

2) Sofern ich den Artikel über Antiarrhythmika auf Ihren Seiten richtig verstehe (siehe http://www.tierkardiologie.lmu.de/stude ... hmika.html ) soll Sotalol nur angewendet werden, "wenn andere nix helfen". Sollte man dann nicht zuerst eine andere Therapie versuchen?

3) Mir ist aufgefallen, dass die höchsten Werte bei den Extrasystolen auftreten, wenn Brutus schläft. Dazu muss ich sagen, dass Brutus schon seit ein oder zwei Jahre sehr heftig träumt. Der ganze Körper bebt, er zuckt mit den Beinen wie wild und kann kaum geweckt werden. Dies geschieht mehrfach in der Nacht (oder auch am Tag.) Sollte/kann man hier vielleicht auch ansetzen und etwas versuchen oder untersuchen?

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir in Bezug auf meine drei Fragen Ihre Erfahrung und Einschätzung mitteilen würden. Dafür bedanke ich mich bereits im Voraus.

Viele Grüße,
Michael
mtorti
Beiträge: 95
Registriert: Mo Mär 30, 2015 4:53 pm

Re: Sotalol und allgemein Antiarrhythmika

Beitrag von mtorti »

Guten Tag,

Sotalol wird sowohl bei ventrikulären Arrhythmien, d.h. Herzrhythmusstörungen welche von den Kammern ausgehen, als auch bei supraventrikulären Arrhythmien (Herzrhythmusstörungen, welche in den Vorhöfen generiert werden) eingesetzt. Ventrikuläre Arrhythmien bei denen Sotalol zum Einsatz kommen kann sind zum Beispiel Ventrikuläre Extrasystolen (Extraschläge der Kammer). Ein Beispiel für eine supraventrikuläre Arrhythmie in der Sotalol verwendet wird ist das Vorhofflimmern. Generell ist Sotalol als ein sehr sicheres Antiarrhythmikum zu bezeichnen, welches sehr gute Therapieerfolge erzielt.  Aus diesem Grund, der Möglichkeit der oralen Gabe und aufgrund der im Vergleich zu anderen Arrhythmika zumeist geringen Nebenwirkungen wird Sotalol in der Praxis häufig verwendet. Nebenwirkungen, welche im Rahmen einer Sotaloltherapie auftreten können sind zumeist Magendarm-Probleme wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall. Natürlich kann jedes Antiarrhythmikum potentiell Proarrhythmisch wirken. Im Fall von Sotalol gibt es eine spezielle Form der ventrikulären Tachyaarhythmie die sogenannte Torsades de pointes, welche durch die Gabe von Sotalol ausgelöst werden kann. Jedoch ist diese Nebenwirkung beim Hund überaus selten.

Welches Antiaarhythmikum bei einer behandlungswürdigen Herzrhythmusstörung letztendlich zum Einsatz kommt, entscheidet der behandelnde Kardiologe ganz individuell für denen Patienten unter Berücksichtigung verschiedenster Faktoren. Aus diesem Grund kann, ohne dass man die Untersuchungen selbst durchgeführt hat, keine Aussage darüber getroffen werden, welches Medikament nun die bessere Wahl in einem bestimmten Fall ist.

Nun zu Ihrer dritten Frage. In der Literatur ist bisher kein Zusammenhang zwischen heftigen Träumen und Extrasystolen beschrieben worden. Jedoch können Sie diese Frage bei Ihrem nächsten Termin bestimmt mit Ihrem Kardiologen erörtern, da nur dieser den genauen Holterbefund in den entsprechenden Zeiträumen kennt und daher die Befunde interpretieren kann.

Mit freundlichen Grüßen


Dr. Marin Torti
Team Tierkardiologie
Medizinische Kleintierklinik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Michael
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Re: Sotalol und allgemein Antiarrhythmika

Beitrag von Michael »

Hallo Herr Dr. Torti,

vielen Dank.

Eine Frage ganz allgemeiner Natur habe ich noch: Ist das Auftreten einer hohen Anzahl von Arrhythmien im 24-Std.EKG allein bereits ein Indikator für den Einsatz eines Antiarrhythmika? Würden Sie ein solches Medikament Ihren Patienten nur bei einem hohen Risiko für den plötzlichen Herztod empfehlen oder durchaus auch schon, wenn Sie dieses Risiko insgesamt (unter Berücksichtigung der Gesamt-Untersuchung inkl. Ultraschall) zwar nicht ausschließen können, es aber eher gering einschätzen.

Nochmals vielen Dank und freundliche Grüße,
Michael
mtorti
Beiträge: 95
Registriert: Mo Mär 30, 2015 4:53 pm

Re: Sotalol und allgemein Antiarrhythmika

Beitrag von mtorti »

Guten Abend!

Also, da gibt es verschieden Kriterien für beurteilung von Arrhythmien, und tatsächlich ist die Nummer von VES (Extraschläge die von Kammern kommen) in 24 Stunden eins von denen. Arrhythmien können bei Doggen das einzige Symptom von Dilatative Kardiomyopathie sein (sogenannte okkulte Phase, ohne Pumpschwäche), und aufgrund diese Rhythmusstörungen können auch Hunden an Sekundentod sterben. Beim Tieren die signifikante Arrhythmie zeigen (beurteilt aufgrund der Befund von Langzeit-EKG) ist Antiarhythmische Therapie, generell gesagt, indiziert, um dieses Risiko zu ernidriegen.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Marin Torti
Team Tierkardiologie
Medizinische Kleintierklinik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Michael
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Registriert: Mo Mär 24, 2014 10:38 pm

Re: Sotalol und allgemein Antiarrhythmika

Beitrag von Michael »

[quote author=59405B46405D340 link=1438219794/3#3 date=1438359733]
Beim Tieren die signifikante Arrhythmie zeigen (beurteilt aufgrund der Befund von Langzeit-EKG) ist Antiarhythmische Therapie, generell gesagt, indiziert, um dieses Risiko zu ernidriegen.
[/quote]

Hallo Herr Dr. Torti,

erneut vielen Dank für Ihre Hilfe und Unterstützung. Existieren denn für die Beurteilung einer "signifikanten Arrhythmie" feste Richtwerte? Oder ist das auch immer etwas Erfahrungs-/Beurteilungssache des behandelnden Kardiologen? Falls es Richtwerte gibt (mir ist bekannt normal sind weniger als 50 VES in 24 Std.), gibt es eine solche Zahl auch für die Bigemien und Salven. Bzw. oder bedeutet das Auftreten von Salven in geringer Zahl auch schon immer automatisch ein hohes Risiko für den plötzlichen Herztod?

Falls meine Fragen zu weit für einen Nicht-Tierarzt gehen, sagen Sie mir das ruhig. Vielleicht haben Sie aber auch einen weiterführenden Link, wo man sich auch als Laie in die Thematik "behandlungswürdige oder noch nicht behandlungswürdige Arrhythmie" einlesen kann.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

Mit freundlichen Grüßen,
Michael
mtorti
Beiträge: 95
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Re: Sotalol und allgemein Antiarrhythmika

Beitrag von mtorti »

Guten Tag,

ja, es gibt bestimmte Richtwerte für die Beurteilungen von Ventrikulären Extrasystolen. Wie Sie bereits richtig erwähnt haben, sollten 50 VES/24 Stunden nicht überschritten werden. Jedoch gibt es darüber hinausgehenden Kriterien für die Unterteilung von VES, deren detaillierte Erörterung den Rahmen dieses Forums überschreiten würde. Häufig müssen diese Richtwerte jedoch im Zusammenhang mit den sonstigen Befunden von dem behandelnden Kardiologen interpretiert werden um eine Therapieentscheidung treffen zu können. Daher  ist es wahrscheinlich besser, wenn Sie diese Frage persönlich mit Ihrem Kardiologen besprechen. Denn dieser kennt Ihren Hund und die erhobenen Befunde am besten, und kann Ihnen daher  genau mitteilen, weshalb er sich für eine antiarrhythmische Therapie entschieden hat.  Sollte dennoch Fragen offen bleiben, so kann eine 2. Meinung eingeholt werden, welche aber nur im Rahmen einer kardiologischen Konsultation sinnvoll ist.

Mit freundlichen Grüßen,


Dr. Marin Torti
Team Tierkardiologie
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Michael
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Re: Sotalol und allgemein Antiarrhythmika

Beitrag von Michael »

Hallo Herr Dr. Torti,

ich lebe in Spanien und hier gibt es im größeren Umkreis keine wirkliche Alternative für eine zweite Meinung. Das würde ich sonst sofort machen, einfach um für mich ein besseres Gefühl zu haben. Der behandelnde Kardiologe macht allerdings auf mich grundsätzlich einen sehr guten Eindruck.

Ich bedanke mich bei Ihnen für die gegebenen sehr hilfreichen Auskünfte.

Mit freundlichen Grüßen,
Michael
Lanova
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Re: Sotalol und allgemein Antiarrhythmika

Beitrag von Lanova »

Habe Ihnen eine PN geschrieben.
Michael
Beiträge: 16
Registriert: Mo Mär 24, 2014 10:38 pm

Re: Sotalol und allgemein Antiarrhythmika

Beitrag von Michael »

Hallo,

ich habe das Herzultraschall bei einem anderen Kardiologen wiederholen lassen. Dieser hatte Brutus bereits im März 2014 untersucht, da ich damals eine zweite Meinung haben wollte, bevor ich mit dem Vetmedin beginne.

Das Herzultraschall war erfreulich. Die Werte haben sich gegenüber März 2014 verbessert! Ich, als Laie, schreibe dies dem Vetmedin zu, sehe es aber gleichzeitig auch als Zeichen, dass sich die DCM trotz des langen Zeitraums zumindest nicht verschlechtert hat.

Dieser Kardiologe hat allerdings KEINE Möglichkeit ein 24.-Std.-EKG durchzuführen. Und an meinem spanischen Wohnort gibt es auch im Umkreis von mehreren hundert Kilometern keine Möglichkeit ein 24.-Std.-EKG bei einem anderen Arzt durchzuführen, um eine zweite Meinung zu erhalten.

Nun habe ich in den Vetmedin-Nebenwirkungen bei Menschen gelesen, dass auch Tachykardien auftreten können: https://de.wikipedia.org/wiki/Pimobendan

Für mich (als Laie) ist es merkwürdig, dass ein Hund ohne Symptome, welcher eigentlich körperlich noch sehr fit ist, bei sich verbessernden Herzwerten im Ultraschall plötzlich über 2.300 tägliche ventrikuläre Extrasystolen entwickelt, welche es vorher nicht gab (und für Doggen auch nicht rassetypisch sind).

Könnte es sein, dass die VES eine Nebenwirkung des Vetmedin sind, so wie im Wikipedia-Artikel aufgeführt? Oder kann man dies ausschließen?

Vielen Dank für Ihre Hilfe und viele Grüße,
Michael
mtorti
Beiträge: 95
Registriert: Mo Mär 30, 2015 4:53 pm

Re: Sotalol und allgemein Antiarrhythmika

Beitrag von mtorti »

Guten Tag,

es freut mich, dass die Werte bei Brutus in Vergleich zur letzten Untersuchung besser geworden sind. Diese Besserung ist höchstwahrscheinlich die Folge von der positiven Wirkung von Pimobendan. Ventrikuläre Extrasystolen können ein Zeichen von einer präklinischen Dilatativen Kardiomyopathie sein, und manchmal sind sie das einzige Zeichen (also ohne das ein Pumpkraftabfall oder eine Vergrößerung von den Herzkammern ersichtlich ist). Deshalb ist es auch indiziert klinisch signifikante VES mit einem Antiarrhythmikum anzutherapieren.
Pimobendan hat sich als ein exzellentes positives inotropes Medikament (steigert die Pumpkraft von Herzmuskel) gezeigt, und in eine Studie bei Dobermänner mit DCM konnte keine proarrhythmische Wirkung von Pimobendan nachgewiesen werden. Auch im diesen Jahr wurde eine Studie über potentielle proarrhyhtmische Wirkung von Pimobendan bei Hunden mit Mitralklappenendokardiose publiziert. In dieser Studie konnte ebenfalls keine proarrhythmische Wirkung von Pimobendan nachgewiesen werden. Deshalb ist es eher unwahrscheinlich, dass Pimobendan bei Ihren Hund für das Auftreten der VES verantwortlich ist.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Marin Torti
Team Tierkardiologie
Medizinische Kleintierklinik
Ludwig-Maximilians-Universität München
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