Sekundentod - hätte ich etwas tun können?

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Moderator: j.schöbel

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Pallaskatze
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Registriert: Do Jan 25, 2024 8:02 am

Sekundentod - hätte ich etwas tun können?

Beitrag von Pallaskatze »

Hallo liebes LMU-Team,

ich war früher mit einer anderen Katze zur Herz-US-Untersuchung bei Ihnen und war damals begeistert. Mit meinem jetzigen Kater ging das leider nicht, weil er schon bei kurzen Autofahrten stark erbrochen und irgendwann liegend gehechelt hat.

Er war ein Perserkater (leider aus einer Schwarzzucht, ich war jung und dumm), der im Frühjahr 13 Jahre alt geworden wäre. Hauskater, kastriert. Bis auf den enormen Stress bei Autofahrten fiel nie etwas auf bei ihm. Er war immer fit, ist bis zur letzten Minute noch Simse hoch- und heruntergehüpft und wirkte gesund.

2022 diagnostizierte unsere Haus-TÄ ein Herzgeräusch Stufe III, außerdem erhöhten Blutdruck (155, kein unterer Wert notiert). Er war aber immer sehr aufgeregt, brauchte manchmal das Katzenzwangsjäckchen beim Tierarzt. Blutbild war immer super. Sie hat ihm daraufhin Fortekor verschrieben, 1x täglich, 2,5. Ich wollte dann seine Zähne machen lassen, weil er einseitig stark geknirscht hat. Unsere Zahnärztin meinte, wir sollen vorher lieber das Herz abklären lassen. Und in der Nähe (40 Minuten) gibt es nur eine Klinik, die das anbietet. Ich habe gefragt, ob eine Kardiologin den US macht, es hieß ja. Leider wurde mir nie ihr Name genannt. Er bekam eine Inhalationsnarkose, von der er sich eine komplette Woche erholen musste.

Ich habe leider nie einen richtigen US-Befund bekommen. Nur einen handschriftlichen Satz: "Herzwand leicht verdickt, sekundäre HCM, keine Therapie nötig". Und mir wurde gesagt, dass sein Blutdruck "irre hoch" gewesen sei in der Narkose, dass aber eine Umstellung auf ein anderes Medikament "ein halbes Jahr" warten könne. Das war vor einem halben Jahr. Ironischerweise. Meine Haus-TÄ, bei der ich nach der Untersuchung war, hat seinen Blutdruck erneut gemessen, da war er dann aber plötzlich normal - sie sagte, wir dürften ihm daher keine Beta-Blocker geben. Es blieb beim Fortekor. Er hatte auch keine Wasseransammlungen, hatte immer eine normale Atmung.
Das alles wurde mir von der Klinikärztin nur nebenbei erzählt. Sie sagte, seine Nieren seien voller Zysten, sehen "katastrophal" aus, und dass er quasi kein Nierengewebe mehr hätte (seine Werte waren aber zum Glück völlig normal, besser als bei vielen gleichaltrigen Katzen ohne PKD, wie meine Haus-TÄ mir sagte). Sie ließ es klingen wie ein Todesurteil. Vielleicht dachte sie deswegen, die Sache mit dem Herz sei nicht so wichtig. Ich weiß es nicht.

Letzten Freitag war alles zunächst normal. Er war auf dem Klo, war fressen, trinken, kam zu uns ins Büro zurück, hüpfte zurück auf seinen Platz am Fenstersims, und dann höre ich Lärm und sehe, wie er zuckend auf dem Boden liegt. Ich bin sofort zu ihm gerannt, habe ihn aufgehoben, und da war er schon ganz schlaff, seine Pupillen weit. Es war der größte Schock unseres Lebens. Wir sind immer noch außer uns vor Trauer. Ein Tierarzt, der einzige, der erreichbar war, sagte uns, er sei tot und dass er nicht leiden musste. Das hoffe ich, er konnte nicht mal einen Mucks machen, er fiel einfach um und war tot. Kurz vor der US-Untersuchung vor einem halben Jahr ist er schon einmal vom Sofa gehüpft, hat laut und guttural geschrien und schien einige Sekunden wie erstarrt, als würde er sich gleich übergeben, aber direkt danach war er ganz normal und hat gefressen. Die Tierklinik sagte, das sei komisch, aber es sei sicher nichts.

Ich mache mir die größten Vorwürfe. Mit dieser Tierklinik hatte ich bereits früher schlechte Erfahrungen gemacht, als sie eine 13-jährige Katze mit einer Hammernarkose narkotisierten (Magenspiegelung) und sie uns schlafend mitgaben, mit den Worten "Ziehen Sie die Zunge immer wieder raus, damit sie nicht erstickt", sie war erst 8 Stunden später wieder bei Bewusstsein und hatte danach akutes Nierenversagen. Aber ich konnte nirgendwo hin, er konnte nicht so weit fahren, und hat nicht jeder eine zweite Chance verdient?
Ich hätte doch nachfragen müssen, warum es keinen wirklichen Ultraschallbefund gab? Keine genauen Werte? Sind Blutdruckmessungen ohne Katheter, wie beim Haus-TÄ, überhaupt verlässlich? Der Tierarzt, der seinen Tod festgestellt hat, sagte, das sei vollkommener Blödsinn, denn nicht umsonst bräuchte ja auch der Mensch eine 24h-Messung. Ich weiß nicht mehr, was ich noch denken soll. Hätte ich meine Haus-TÄ fragen müssen, ob Fortekor überhaupt ratsam ist, wenn doch in einigen Fällen Herzgeräusche durch Aortenstenosen verursacht werden? Hat ihn am Ende die Tablette, von der ich dachte, sie hilft ihm, umgebracht?

Ich weiß, dass nichts davon ihn wieder zurückbringt. Aber ich will nicht, dass so etwas irgendwann noch mal passiert. Und deswegen möchte ich so informiert wie möglich sein. Ich habe das Gefühl, zu wenig getan und zu wenig gefragt zu haben. Er fehlt mir so unendlich. Ich habe auch US-Bilder von der Untersuchung. Wäre es möglich, sie (natürlich gegen Honorar!) anschauen zu lassen?

Liebe Grüße
j.schöbel
Beiträge: 46
Registriert: Mo Okt 04, 2021 7:03 am

Re: Sekundentod - hätte ich etwas tun können?

Beitrag von j.schöbel »

Guten Tag,

es tut uns sehr Leid, vom Tod Ihres Katers zu hören!
Da wir die genauen Befunde nicht erhoben haben und scheinbar mehrere Faktoren eine Rolle spielen, können wir im Rahmen dieses Forums keine Auskunft darüber geben, wie Ihr Kater therapeutisch am besten eingestellt gewesen wäre und ob bzw. wie viel man zusätzlich hätte für ihn tun können im Vorhinein.
Ursachen für eine Sekundentod können Rhythmusstörungen, welche aufgrund tageszeitlicher Schwankungen nicht immer während der Behandlung vorliegen müssen, sein. Es kann sich jedoch ebenso um ein embolisches Geschehen (plötzliches Abschwemmen von Blutgerinnseln) handeln. Auch neurologische Ursachen, wenn es zuvor zu Krampfen kam, sind nicht sicher auszuschließen.

Generell empfiehlt es sich, den Blutdruckmessungen unter ruhigen Bedingungen sowie wiederholt zu bestimmen, um eine möglichst objektive Einschätzung zu ermöglichen. Ein Katheter ist hierfür in der Regel nicht notwendig, invasive Blutdruckmessungen werden im Normalfalle nur intraoperativ verwendet. Zumeist werden oszillometrische Messungen oder Dopplermessmethoden angewendet hierfür (mit Manschette).
Im Falle einer signifikanten systemischen Hypertension, wie sie sekundär zu Nierenerkrankungen, teilweise auch Schilddrüsenüberfunktion, auftreten kann, sollte eine Therapie erwägt werden, da es anderen Falles zu Endorganschäden (V.a. das Herz, das Gehirn sowie die Augen betreffend) kommen kann. Sollte es sich um prähypertensive oder leicht erhöhte Werte handeln, so sollte die Messung zunächst wiederholt werden.

Linksventrikuläre Hypertrophien (Herzmuskelverdickungen) können sowohl primär durch eine Herzmuskelerkrankung (Hypertrophe Kardiomyopathie) bedingt sein, jedoch ebenso durch einen hohen Blutdruck oder Endokrinopathien wie Schilddrüsenüberfunktion (mit-) verursacht werden.
Im Zuge der Erkrankung kann es zu einer Vorhofvergrößerung kommen, welche zum einen das Risiko eines Rückstaus und entsprechend einem Lungenödem und/oder Pleuralerguss birgt, jedoch ebenso das Thromboserisiko erhöht.
Im Zuge der Erkrankung können auch Rhythmusstörungen auftreten, welche aufgrund tageszeitlicher Schwankungen nicht immer bei einmaliger Untersuchung detektierbar sein müssen.

Wir wünschen Ihnen alles Gute und viel Kraft!
Jessica Schöbel
Team Tierkardiologie
Medizinische Kleintierklinik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Pallaskatze
Beiträge: 2
Registriert: Do Jan 25, 2024 8:02 am

Re: Sekundentod - hätte ich etwas tun können?

Beitrag von Pallaskatze »

Hallo Frau Schöbel,

vielen Dank für Ihre rasche Antwort. Ich habe heute Morgen noch den Befund vom US bekommen, ich hatte noch einmal nachgehakt, weil ich vor einem halben Jahr leider nichts bekommen hatte:

BP: syst. bis 190mmHG (in Sedierung/Narkose)
EKG: Sinusrhythmus, HF max. 160/min
2D: normokinetisches Myokard, LV ggr. konzentrische Hypertrophie im Bereich des LVOT (v.a. septale Wand - Septumnase), linker Vorhof derzeit nicht dilatiert
IVSd 5,2mm, LVIDd 10mm, LVPWd 5,1mm, LA/Ao 1,6, LADs 1,7cm
Ausfluss Aorta Vmax 0,8m/s, Vmax Ausfluss Pulmonalis 0,7m/s

Man erkennt hier vermutlich nichts, was eine Vorwarnung hätte sein können, oder?

Gekrampft hat er vorher nicht. Er war wirklich von einer Sekunde auf die nächste Weg. Er hat nicht mal einen Mucks gemacht. Als er dann auf dem Boden lag, zuckte er noch, aber mein Freund denkt, da war er schon tot, und dass das nur die Synapsen waren, die noch wild geschossen haben ...

Hätte man ihn ggf. auf einen Betablocker umstellen können, obwohl die BD-Messung etwa 3 Tage nach der Anästhestie plötzlich normal ausfiel? Hat sich womöglich die Inhalationsnarkose noch auf den BD ausgewirkt und ich hätte länger warten müssen, bis ich wieder mit ihm vorstellig werde? Muss ich mir anhand der Werte oben Gedanken machen, ob nicht das Fortekor am Ende sogar kontraproduktiv war?

Bitte entschuldigen Sie die vielen Fragen. Es ist einfach so schwer zu verstehen für mich. Ich möchte alles richtig machen, sollte in meiner Familie noch mal jemand mit HCM zu tun haben, weil ich weiß, dass ja auch der Tierarzt nie alles im Kopf haben kann, wenn er eben nicht spezialisiert ist, wie hier auf dem Land.

Liebe Grüße
j.friederich
Beiträge: 193
Registriert: Di Jan 08, 2019 7:18 am

Re: Sekundentod - hätte ich etwas tun können?

Beitrag von j.friederich »

Guten Tag,

das Medikament der Wahl zur Therapie eines Bluthochdruckes bei der Katze ist Amlodipin. Dieses weitet die Gefäße und wirkt dadurch sehr effektiv blutdrucksenkend. Fortekor (ACE-Hemmer) senken auch den Blutdruck, indem sie das Blutvolumen reduzieren. Betablocker werden bei der HCM nur noch in bestimmten Fällen eingesetzt und senken die Pumpkraft des Herzens. Sie haben nur einen sehr geringen Effekt auf den Blutdruck.
Narkosen können definitiv einen Einfluss auf den Blutdruck haben und so kann je nach verwendeten Narkosemedikament der Blutdruck in Narkosen abfallen, aber auch ansteigen und daher sind Blutdruckmessungen in Narkose nicht aussagekräftig, wie der Blutdruck im normalen Wachzustand wäre.
Ziel ist es natürlich, den Blutdruck in den Narkosen stabil zu halten.
Eine Blutdruckmessung ist daher nur aussagekräftig, wenn sie in einer ruhigen Umgebung mehrmals gemessen wird.
Wenn wirklich ein Bluthochdruck vorliegt, muss man sich auch Gedanken über die Ursache dafür machen. Bei älteren Katzen ist es häufig durch eine Niereninsuffizienz, Diabetes oder eine Schilddrüsenüberfunktion. Eine idiopathische Hypertension (erhöhter Blutdruck ohne ersichtlichen Grund) ist in der Tiermedizin sehr selten. Wenn keine der Erkrankungen und auch keine Endorganschäden (Herz, Niere, Gehirn oder Augen) vorliegen, sollte man die Blutdruckmessungen auch hinterfragen und gegebenfalls in einer ruhigen Umgebung wiederholen.

Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute!
Dr. Jana Friederich
Team Tierkardiologie
Medizinische Kleintierklinik
Ludwig-Maximilians-Universität München
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