Deprivationssyndrom+evtl. Herzfehler. Vorgehen?

Hier beantworten wir Fragen zu Herzerkrankungen

Moderator: j.schöbel

Antworten
Lijah042013
Beiträge: 4
Registriert: Mo Dez 02, 2013 11:58 pm

Deprivationssyndrom+evtl. Herzfehler. Vorgehen?

Beitrag von Lijah042013 »

Sehr geehrte Damen und Herren,

im April letzten Jahres habe ich eine zum damaligen Zeitpunkt 2,5 jährige Hündin (Jagdhundmischling, 48 cm) aus Kreta übernommen, die an einem Deprivationssyndrom leidet.
(Haltung bis zur Übernahme: 1,5 m Kette, extremer Nahrungsmangel, teilweise Einzelhaltung).

Lijah ist nun 3,5 Jahre alt, 15,5 kg (zu Beginn 10,6 kg) wurde noch auf Kreta kastriert (im Alter von ca. 1-2 Jahren), Mittelmeerkrankheiten negativ, vor Ausreise gleichzeitig Komplettimpfung+Wurmkur+Spot-on...

Auffällig war von Beginn an, dass man bei Aufregung ihr Herz schlagen hörte, wenn man nur neben ihr stand! Beim Auflegen der flachen Hand auf den Brustkorb links war und ist bis jetzt ein Rauschen zu fühlen, ebenso zu hören, wenn man das Ohr auf ihren Brustkorb legt. Es hört sich an wie das Tonbeispiel zum PDA auf Ihrer Infoseite, wie eine Art „Wasserstrom“.

An eine Herzuntersuchung war im letzten Jahr nicht zu denken. Lijah hat panische Angst vor fremden Menschen, ebenso vor Häusern. Für ein notwendiges Röntgen der Vorderhand (diffuses Humpeln, Erstellen eines Gelenkstatus) musste sie noch außerhalb der Klinik sediert werden, vertrug die Narkose sehr schlecht, fiel danach im Training um Wochen zurück und verhält sich auch jetzt noch, 10 Monate nach dem Klinikbesuch, zögerlich auf dem Heimweg (Heimweg mit Klinikbesuch verknüpft).
(Beim damaligen Blutbild waren die Lymphozyten erhöht.)

Nun beobachte ich, dass Lijah ab und an recht helle Schleimhäute hat, beim/nach dem Schlafen auch bisweilen kühle Pfoten.
Die kapillare Füllzeit liegt hierbei nicht über 1 Sekunde. Ihr Ruhepuls liegt knapp unter 60, Atemfrequenz/Minute 20.

In den letzten Wochen schienen ihr die Hinterläufe ab und an einzuschlafen, da sie jeweils eine Pfote nach dem Aufstehen anzog/nicht gleich aufsetzen konnte. Das Phänomen zeigte sich nun jedoch auch aus dem Stand bzw. dem Rennen heraus:
Situation 1: extremer Stress beim Passieren fremder Menschen, Zug an der Leine, hiernach kurzes Humpeln hinten links. Den Lauf hielt sie gerade nach hinten weg.
Gleiches ein Mal vor dem Spaziergang beim Anziehen des Geschirrs (Stresssituation für Lijah).

Zudem wirkt sie (in Ruhephasen) müde bis sehr müde, rennt und sprintet zwar draußen (sie ist inzwischen sehr gut bemuskelt, generell sehr sportlich), spielt auch sehr gerne, ist lustig, frisst mit Appetit, mit einem Herzproblem im Hinterkopf macht mir das Verhalten jedoch eher Sorgen. Wüsste ich davon nichts, hätte ich den Eindruck, Lijah wäre inzwischen schlicht gelassener geworden...

Ich brauche einen Rat, was ich tun kann bzw. was man tun sollte, da ich mich im Kreis drehe.

Wenn Lijah an einem PDA leidet und ich sie nicht untersuchen lasse, verkürze ich ihre Lebenserwartung u.U. extrem.
Fahre ich jedoch mit ihr in eine Klinik, setze ich sie Extremstress aus! [ch8594] Autofahren, sie müsste noch im Auto vor der Untersuchung sediert werden, bei OP stationärer Aufenthalt, ich als Bezugsperson weg, Anfassen durch Fremde... Ich habe vor dieser Situation große Angst!

Kann es sein, dass bereits Aufregung/Stress alleine bei gegebenem PDA zu Herzversagen führt?

Ich habe gelesen, dass ein PDA ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr operabel ist. Gibt es hierfür erkennbare Symptome?

Was tut man sinnvollerweise bei einem Hund, der an einem Deprivationssyndrom und unter Umständen an einem schweren angeborenen Herzfehler leidet? Könnte man einen u.U. nötigen Klinikaufenthalt so gestalten, dass der Hund hiernach nicht (wieder) vollständig traumatisiert ist, vielleicht durch Sedierung bis zur Abholung? Gibt es weitere Möglichkeiten?


Falls es Ihre Zeit erlaubt, freue ich mich sehr über eine Rückantwort, selbst wenn sich vermutlich einige der Fragen nicht ohne ausreichende Diagnostik beantworten lassen.

Vielen herzlichen Dank!
baumhaus
Beiträge: 28
Registriert: Mi Mär 27, 2013 6:53 am

Re: Deprivationssyndrom+evtl. Herzfehler. Vorgehen?

Beitrag von baumhaus »

Hallo,

bei mir ist damals ein Kardiologe mit seiner mobilen Ausrüstung zu mir nach Hause gekommen. Um abzuklären, ob überhaupt ein Herzproblem vorliegt, wäre das vielleicht eine Möglichkeit, dem Hund in gewohnter Umgebung Stress zu ersparen?

Hier eine Adressliste: http://www.collegium-cardiologicum.de/m ... liste.html

Viel Glück!
Lijah042013
Beiträge: 4
Registriert: Mo Dez 02, 2013 11:58 pm

Re: Deprivationssyndrom+evtl. Herzfehler. Vorgehen?

Beitrag von Lijah042013 »

Vielen Dank für deine Antwort.

Im Link vom CC-Kreis finde ich keine mobilen Kardiologen. Hast du hierzu auch eine Idee?

Eine Möglichkeit wäre ein solcher Kardiologe durchaus, allerdings gehe ich bei diesen starken Herzgeräuschen von einem schweren angeborenen Herzfehler aus (und wünsche mir nichts mehr, als mich zu irren!)
baumhaus
Beiträge: 28
Registriert: Mi Mär 27, 2013 6:53 am

Re: Deprivationssyndrom+evtl. Herzfehler. Vorgehen?

Beitrag von baumhaus »

http://www.ig-hgk.com/index.php?page=Th ... readID=486

Ruf doch mal bei einem der Kardiologen in deiner Nähe an. Wenn er selbst nicht mobil ist, kann er vielleicht eine Empfehlung aussprechen.
Mariposa3103
Beiträge: 53
Registriert: Di Jul 31, 2012 9:14 am

Re: Deprivationssyndrom+evtl. Herzfehler. Vorgehen?

Beitrag von Mariposa3103 »

Hallo,

Bei einem PDA besteht eine Verbindung zwischen der Aorta und der Lungenarterie (Pulmonalarterie), sodass das Blut aus der Aorta zunächst über die Pulmonalarterie zurück durch die Lunge fließt, um dann erneut im linken Herzen anzukommen.
Es folgt eine Volumenüberladung des linken Herzens, welche mit der Zeit zu einem Linksherz-Versagen führen kann, das heißt es staut sich Flüssigkeit in die Lunge zurück und es entsteht ein Lungenödem. Bei Tieren, bei denen ein PDA länger besteht, ist dies die häufigste Komplikation.
Durch die vermehrte Zirkulation von Blut durch die Lunge kann als Reaktion darauf eine Proliferation der Lungengefäßwände erfolgen, womit der Druck in der Lunge steigt und das Blut „um-shuntet“, d.h. dass das Blut dann aus der Pulmonalarterie in die Aorta fließt. Dies ist eine weitaus seltenere Komplikation bei einem PDA.
Klinisch kann dies an einer sogenannten „Differentialzyanose“ erkennbar sein, d.h. die Schleimhäute des Tieres sind im vorderen Körperbereich rosa und im hinteren Teil (z.B. Vulva, Analbereich) zyanotisch, also bläulich, da dort eine schlechtere Sauerstoffversorgung gegeben ist. Außerdem  können die Tiere leistungsinsuffizient sein, das Herzgeräusch verschwindet in diesem Stadium aber oder sollte zumindest nicht mehr so laut zu hören sein, dass sogar Sie es ohne Stethoskop hören uns spüren können.
Dies wäre aber der Zeitpunkt, ab dem ein Verschluss des PDAs nicht mehr möglich ist.

Die definitive Diagnose eines PDAs kann jedoch nur mittels eines Herzultraschalls gestellt werden, hier kann auch beurteilt werden, ob evtl. noch andere angeborene Defekte vorliegen und wie und ob sich die Herzdimensionen bereits verändert haben. Andere Untersuchungen (Auskultation, Röntgen, EKG) können gute Hinweise für die Verdachtsdiagnose liefern, da aber auch diese Untersuchungen bei Ihrem Hund nur in Sedation durchführbar sind, wäre es sicher ratsam gleich den Ultraschall durchzuführen.

Jedoch ist es so, dass von allen angeborenen Herzerkrankungen, die sich ein Hund „aussuchen“ kann, der PDA der „dankbarste“ Defekt ist, da er in aller Regel leicht zu verschließen ist, die Veränderungen am Herzen ganz oder zum großen Teil reversibel sind und dem Hund eine m.o.w. normale Lebenserwartung ermöglichen Bei frühzeitigem Verschluss können auch größere Komplikationen, wie z.B. die Entstehung eines Lungenödems verhindert werden.
Sollte das Herz Ihres Hundes schon sehr groß sein und sie bald dekompensieren (also ein Lungenödem ausbilden), wird ein Besuch beim Tierarzt ohnehin unumgänglich., noch besteht aber evtl. die Chance dass dies verhindert werden kann.
Durch übermäßigen Stress kann eine Dekompensation unter Umständen beschleunigt werden, jedoch ist es so, dass dies dann auch ohne Stress früher oder später passieren würde, wenn die Herzerkrankung bereits so weit fortgeschritten ist.

Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie nur das Beste für Ihren Hund möchten und eine richtige Entscheidung zu treffen hier sehr schwer ist.
Vielleicht können Sie ja einen kardiologischen Termin so vereinbaren, dass gleich auch ein Verschluss durchgeführt werden kann, sollte es sich um einen PDA handeln.
Somit bräuchte Ihr Hund ggf. nur einmal eine Sedation/Narkose und müsste dem Stress nur einmal ausgesetzt sein. Die behandelnden Tierärzte können mit Ihnen sicher auch das beste und schonendste Vorgehen für Lijah klären, z.B. dass Sie in der Aufwachphase bei ihr sein können etc.

Ich wünsche Ihnen und Lijah alles Gute und hoffe sehr, dass Lijah geholfen werden kann!
Mit herzlichen Grüßen

Maria Seckerdieck
Maria Seckerdieck
Tier
Lijah042013
Beiträge: 4
Registriert: Mo Dez 02, 2013 11:58 pm

Re: Deprivationssyndrom+evtl. Herzfehler. Vorgehen?

Beitrag von Lijah042013 »

Sehr geehrte Frau Seckerdieck,

herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, so ausführlich zu antworten! Ihre Antwort hilft mir sehr bei meiner Entscheidung, denn Sie haben völlig recht: Wenn zum Tierarzt, dann sofort (solange ggf. operativ geholfen werden kann)!

Meine Idee ist nun, zunächst vor Ort ein Herzultraschall anfertigen zu lassen, um herauszufinden, ob Lijah einen operablen Herzfehler hat. In diesem Fall würde ich Sie nochmals um Hilfe bitten: An wen in der Kardiologie wende ich mich telefonisch bezüglich der Besprechung der OP, Nachversorgung und Lijahs speziellem Verhaltensproblem etc.?

Falls kein PDA bzw. operabler Herzfehler festgestellt wird, würde ich Lijah zumindest die lange Fahrt ersparen.

Ist diese Idee sinnvoll oder sollte ich auf jeden Fall versuchen, ihr ggf. eine Narkose zu ersparen und sofort auch für die Diagnostik (mit ggf. sofort anschließender Op) nach München kommen?

Generell: Lijah ist ein Hund, der aufgrund ihres reizarmen Aufwachsens täglich Stress ausgesetzt ist, zudem rennt sie viel und gerne. Inwieweit sollte ich Lijah vor einer Diagnostik schonen (von Stress fernhalten/Training stoppen bzw. einschränken/sie weniger rennen lassen)? Bisher sind wir täglich etwa 2,5 Stunden draußen, während derer sie sehr gerne rennt. Wäre hier zu reduzieren bzw. fördert Bewegung und Stress die Bioldung eines Lungenödems bzw. verschlimmern diese Faktoren eine Herzerkrankung?

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Herzliche Grüße
Mariposa3103
Beiträge: 53
Registriert: Di Jul 31, 2012 9:14 am

Re: Deprivationssyndrom+evtl. Herzfehler. Vorgehen?

Beitrag von Mariposa3103 »

Guten Abend nochmal,

sofern eine OP in Frage kommt und sie diese bei uns durchführen lassen möchten, melden Sie sicheinfach telefonisch in der Anmeldung der Medizinischen Kleintierklinik München. Es kann sein, dass Sie nicht direkt zu einem Mitarbeiter des kardiologischen Teams durchgestellt werden können, diese werden aber über Ihren Anruf informiert und dann werden Sie schnellstmöglich zurück gerufen.

Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir ohne Lijah zu kennen oder selbst untersucht zu haben, nicht beurteilen oder entscheiden können, inwieweit sie belastet werden darf und welche diagnostischen Schritte am sinnvollsten sind.

Mit herzlichen Grüßen

M. Seckerdieck
Maria Seckerdieck
Tier
Lijah042013
Beiträge: 4
Registriert: Mo Dez 02, 2013 11:58 pm

Re: Deprivationssyndrom+evtl. Herzfehler. Vorgehen?

Beitrag von Lijah042013 »

Nochmals herzlichen Dank für Ihren Rat!

Ich verstehe, dass weitere Beurteilungen aus der Ferne nicht möglich sind.

Dank Ihrer Hilfe bin ich in meinen Überlegungen und Entscheidungen nun einen sehr großen Schritt weiter!

Alles Gute für Sie und herzliche Grüße!  :)
Antworten