Medikation bei dekompensierter HCM

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Moderator: j.schöbel

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Inamaria
Beiträge: 2
Registriert: Do Nov 05, 2015 8:25 am

Medikation bei dekompensierter HCM

Beitrag von Inamaria »

Guten Tag,
Bei meinem Kater, 14 Jahre alt, wurde 2007 HCM diagnostiziert. Er bekommt seitdem 2 x tägl. ¼ Atenolol und seit 4 Jahren zusätzlich alle 3 Tage eine ¼ Tabl. ASS 100.
Die turnusmäßigen Kontrolluntersuchungen der vergangenen Jahre zeigten keine signifikante Verschlechterung des Befundes, sondern die Diagnose lautete: kompensierte HCM, keine Kongestionsanzeichen.
Die Kontrolluntersuchung des Herzens im Oktober 2015 ergab, dass sich der Befund innerhalb des letzten halben Jahres verschlechtert hat. Im Echo war (noch) kein Smoke zu erkennen, aber das EKG zeigte Extrasystolen.  Aufgrund dieser Tatsache bekommt mein Kater nun täglich den Thrombozytenaggregationshemmer Clopidogrel 75 mg, 1 x täglich eine Viertel Tablette.
Die aktuelle Medikation lautet also:

2 x tägl. 1 Tablette Felimazole (Schilddrüsenüberfunktion laut Blutbild Oktober 2015)
2 x tägl ¼ Atenolol
1 x tägl ¼ Clopidogrel
alle 3 Tage eine Viertel ASS 100

Bei der letzten Herzuntersuchung vor 2 Wochen war von dekompensiertem Stadium die Rede.
Ich hatte den Eindruck, dass sich die beiden Tierärztinnen bzgl. der Medikation nicht ganz einig waren. Eine von beiden wollte zusätzlich Dimazon sowie einen Blutdrucksenker verordnen. Ihre Kollegin sah noch keine Indikation für das Dimazon. Sie schien sich auch unsicher zu sein, ob das Atenolol noch das Mittel der Wahl ist.
Ich werde nächste Woche in einer anderen Tierklinik bei einem kardiologisch spezialisierten Tierarzt eine weitere Meinung einholen.
Meine konkreten Fragen an Ihr Team lauten:
1) ab wann halten Sie die Gabe von Dimazon für indiziert? Erst bei diagnostizierten Wasseransammlungen oder bereits, wenn im kardiologischen Befund aufgrund der Größe des linken Vorhofs akut mit Kongestionen zu rechnen ist? Also Dimazon erst im akuten Stadium oder quasi „prophylaktisch“? Es soll eine Studie geben, die belegt, dass die Kombination von Betablocker und Dimazon zu Nierenversagen führt und deshalb seit dem Jahr 2000 in der Tiermedizin obsolet ist. Würde man dann anstelle des Betablockers, der die Herzleistung ja noch herabsetzt, ein herzstärkendes Medikament verordnen?
2) gibt es zum aktuellen Stand der Forschung eine wirksamere Alternative zum Clopidogrel zur Vorbeugung von Thromboembolien? Ich habe (auf Ihrer website!) gelesen, dass die tägliche subkutane Injektion von Low-molecular-weight-Haparin erfolgversprechende Ergebnisse bei der Vermeidung von Thrombosen zeigt? Oder bleibt die Kombination von ASS + Clopidogrel die Kombination der Wahl?
Über eine Antwort wäre ich Ihnen sehr verbunden!
Kardio
Beiträge: 162
Registriert: Di Jul 02, 2013 9:00 am

Re: Medikation bei dekompensierter HCM

Beitrag von Kardio »

Hallo,

Dimazon verabreicht man aus kardiologischen Gründen  in der Regel erst, sobald eine Herzkrankheit zu einem Rückstau des Blutes in die Lunge, den Bruskorb oder den Bauch geführt hat. Abweichend hiervon kann individuell bei Patienten mit einem durch die kardiologischen Untersuchungen gestellten starken Verdacht auf eine sehr bald eintretende Kongestion bereits vor diesem definitiven Rückstau mit entwässernder Therapie begonnen werden, allerdings gibt es hierzu bisher noch keine klinischen Studien. Ob eine entwässernde Therapie also schon vor einer akuten Kongestion verabreicht werden sollte, muss  individuell vom behandelnden Tierarzt unter Berücksichtigung aller Untersuchungsbefunde entschieden werden.

Für die Therapie mit Atenolol bei Katzen mit HCM (Hypertrophe Kardiomyopathie) gibt es aktuell noch keine definitiven Richtlinien – weder für das asymptomatische Stadium als auch für das symptomatische (dekompensierte) Stadium. Im akuten Herzversagen ist Dimazon das Mittel der ersten Wahl. Nach Stabilisierung des Patienten kann dann über eine weitere Therapie mit Atenolol nachgedacht werden, insofern hierfür eine entsprechende Indikation besteht – dies muss allerdings vom behandelnden Tierarzt, der alle Untersuchungsbefunde ihres Katers kennt, entschieden werden.

Generell sollte bei jedem Tier, das entwässernde Therapie enthält eine regelmäßige Kontrolle der Nierenwerte (und auch der Elektrolyte) durchgeführt werden. Dementsprechend kann die Nierenfunktion unter Therapie mit entwässernden Medikamenten (und ggf. zusätzlichen Medikamenten wie Atenolol oder ACE-Hemmern) überwacht werden.

Das Medikament der Wahl zur Prophylaxe einer Aortenthrombose ist Clopidogrel. Für Clopidogrel konnte in einer Studie (Fatcat study) eine längere Zeit bis zur erneuten Entwicklung einer Aortenthrombose nachgewiesen werden – im Vergleich zu Aspirin. Für eine Kombination von Clopidogrel und Aspirin gibt es bisher keine dementsprechenden Studien.
Wie sie bereits unserer Homepage entnommen haben, ist die Injektion von Low-molecular-weight-Haparinen eine Alternative zur Verabreichung von Clopidogrel – jedoch sollte eine orale Medikamentenverabreichung in einer Langzeittherapie gegenüber regelmäßigen Injektionen bevorzugt werden.

Generell sollten sie auf jeden Fall die genaue medikamentelle Therapie mit ihrem behandelnden Tierarzt besprechen, welcher alle individuellen Untersuchungsergebnisse ihres Katers kennt - im Rahmen dieses Forums können keine individuellen Therapieempfehlungen gegeben werden, da wir das Tier nicht selbst untersucht haben.

Ich wünsche Ihrem Kater alles Gute
Team Tierkardiologie
Medizinische Kleintierklinik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Inamaria
Beiträge: 2
Registriert: Do Nov 05, 2015 8:25 am

Re: Medikation bei dekompensierter HCM

Beitrag von Inamaria »

Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre ausführliche und sehr hilfreiche Antwort!
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