HCM? mit Galopprhythmus und ansonsten Bradykard?

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Moderator: j.schöbel

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husky210790
Beiträge: 1
Registriert: So Feb 28, 2016 11:46 am

HCM? mit Galopprhythmus und ansonsten Bradykard?

Beitrag von husky210790 »

Hallo liebes Forum,

ich bekam auf einer anderen Plattform den Tipp, meinen Sachverhalt hier öffentlich zu machen um ggf. Erfahrungsberichte, Tipps und Antworten zu finden.


Zum Sachverhalt:

Im April/Mai 2013 bekamen wir Jackson als unkastrierten und ungeimpften EKH-Wohnungskater im Alter von ca. 6-8 Monaten. Die genauen Daten waren auch dem privaten Vorbesitzer unbekannt. Er wurde in unserem Auftrag kastriert und geimpft. Im Oktober 2013 fiel er aus einer Höhe von ca. 10-12 Metern direkt auf den Bürgersteig, weswegen wir sofort die damals nahegelegene Uniklinik in Gießen mit ihm aufsuchten. Er blieb diesen Tag stationär und wir holten ihn Abend wieder ab, mit keinen relevanten Diagnosen.
Jackson entwickelte sich völlig unauffällig, er spielte sehr viel und das bis zur Erschöpfung, die sich in Form von seitlichem Liegen und hoher Atemfrequenz zeigte. Alles in allem aber für uns völlig unauffällig.

Anfang 2015 zogen wir dann in eine neue Wohnung und holten knapp vier Wochen später eine Katzendame neu dazu (6 Monate alt, kastriert, geimpft). Anfänglich gab es kleinere Probleme, sodass schon mal die Fetzen folgen, dies hat sich aber fast vollständig gelegt. Beide sind nach wie vor reine Wohnungskatzen, die ab und zu auf den Balkon dürfen.

Im Sommer letzten Jahres zeigte Jackson dann ab und an nach wirklich heftigem Spielen (bei Alukugeln kennt er einfach keine Grenzen) leichte Maulatmung, die ich eben nicht als solche interpretierte. Als er dann aber eines Tages nach dem Spielen (dieses Mal mit Leckerchen) wiedermal eben diese Maulatmung mit Speichelfluss zeigte wurde ich stutzig und rief unseren Haustierarzt an. Man hatte mit dieser telefonischen Anamnese die Vermutung, dass er sich an dem Leckerchen verschluckt haben könnte. Ich nahm es ebenfalls an, klang es ja auch logisch. Nach spätestens einer halben Stunde war die Symptomatik wieder weg.
Nach wieder einigen Tagen, vielleicht auch ein bis zwei Wochen, hatten wir Besuch, Jackson spielte einige Zeit und war natürlich nicht zu bremsen, als es darum ging auf den Balkon zu gehen. Er durfte natürlich mit raus, wurde von mir aber nach kurzer Zeit wieder in die Wohnung bugsiert, wo er scheinbar weiter spielte. Als wir dann vom Balkon reinkamen, saß er in der Ecke in einer unauffälligen Position. Ich nahm ihn unterm Bauch mit auf das Sofa um zu kuscheln, eine Eigenschaft von mir, die er nur dann toll findet, wenn er es wirklich will. Er stand auf, torkelte plötzlich übers Sofa und viel runter. Er legte sich wieder flach auf den Boden und hechelte. Als ich ihn anschließend auf den Arm nahm, schrie er fürchterlich auf. Wir fuhren natürlich sofort zum Tierarzt, im Hinterkopf, dass es sich vielleicht eine Vergiftung von den auf dem Balkon befindlichen Blumen handelt, wo er auch definitiv dran war. Unser Haustierarzt bezweifelte dies allerdings und stellte beim Auskultieren fest, dass das Herz den s.g. Galopprhythmus aufwies. Es konnte in dem Moment scheinbar nichts unternommen werden und wir fuhren, in Absprache, dass wir die ca. 100 Kilometer entfernte Uniklinik in Gießen aufsuchen, wieder heim.

Einige Tage stellten wir unseren Kater dann in Gießen vor. Er bekam ein Röntgen vom Brustkorb und ein Echo vom Herzen. Außerdem wurde Blut abgenommen. Bis auf das Echo war wohl alles unauffällig. Das Echo zeigte wohl, dass die Herzscheidewand gering verdickt sei (Ist dies schon eine hypertrophe Kardiomyopathie?). Allerdings stellte man ebenfalls fest, dass seine Herzfrequenz zu niedrig sei (100 – 120 bpm), dies aber nicht zu dem Befund des Echos passen würde. Die Aussage des der Tierärztin war wie oben beschrieben bzgl. der Herzscheidewand (im Befund steht allerdings geringradige Erweiterung d. re. Atrium und Ventrikel, nichts von Septum)

Er soll seitdem aufgrund der niedrigen HF das Medikament Aminophyllin 62,5mg auf 3 x täglich verteilt bekommen. Zusätzlich hatte man den Verdacht, dass die niedrige HF durch einen vasovagalen Stimulus, ggf. ausgelöst durch den Magen-Darm-Trakt, verursacht wird. Er sollte zusätzlich 1x täglich 10mg Omeprazol einnehmen, dies war aber nicht möglich. Eine Futterumstellung wurde von uns durchgezogen. Er bekommt jetzt Futter der Fa. VetConcept.

Zwischen den ganzen Untersuchungstagen hatte er immer mal wieder diesen Galopprhythmus und somit keine Lust auf nichts. Auffällig war, dass er dann nach einiger Zeit Erbrochen hat und dann war die Symptomatik wieder weg.

In den folgenden Untersuchungen schloss man mittels Blutuntersuchungen eine Bauchspeicheldrüsenentzündung (Lipase), Probleme mit der Schilddrüse (T4) und Probleme mit dem Herzen (Troponin) aus. Außerdem bekam er ein 24-Stunden-EKG (Zuhause) und ein Schall vom Bauchraum – alles unauffällig. Laut den mir vorliegenden Unterlagen reagierte er in einer weiteren Untersuchung auf einen Atropinreaktionstest, weshalb er nun zusätzlich zum Aminophyllin regelmäßig (0,375 mg auf 3x täglich) verabreicht. Er bekommt beide Medis gleichzeitig oral mit einem bisschen Lactulose, da das Atropin den Magen-Darm-Trakt träge macht.

Die Diagnosen des letzten Befundes:
- Hypertrophe Kardiomyopathie, keine Stauungszeichen
- Sinusbradykardie, Präexzitation
- V.a. vasovagalen Stimulus

Zwischendrin lag der Verdacht nahe, dass er vielleicht auf Rindfleisch reagiert und es somit zu einer Unverträglichkeitsreaktion kommt. Dies kann aber ausgeschlossen werden, da der Kater seit ca. 4 Monaten kein Rindfleisch mehr bekommt. Und eigentlich konnten wir bis jetzt kein weiteres Auftreten der Symptomatik feststellen.

In den letzten beiden Wochen hatte er allerdings wieder, jeweils einmalig, diesen Galopprhythmus. Neu ist aber, dass er nach kurzem Ausruhen, seiner Beschäftigung (Spielen, Putzen, Knabbern an der Palme usw.) mit diesem Rhythmus nachgeht. Dies hat er sonst wirklich nie gemacht, er hat sich sonst immer zurückgezogen. Das Auftreten der Maulatmung konnten wir seit den ganzen Untersuchungen nicht mehr feststellen.

Da er gerne auf den Fensterbänken sitzt und wir scheinbar in unmittelbarer Nähe dazu ein Vogelnest haben, regt er sich gerne den ganzen Tag über die an- und abfliegenden Vögel auf. Weiterhin ist er sehr schnücksch wenn es ums Essen geht und bekommt schlechte Laune, wenn der Napf nicht täglich gewaschen wird, das Futter leicht angetrocknet ist oder er einfach keine Lust auf das Fressen hat. Die schlechte Laune lässt er dann an der kleinen Katze aus.

Meine Fragen sind einfach,

- kann dieser Galopprhythmus durch Stress ausgelöst werden?
- Hat irgendjemand ähnliche Erfahrungen, eine Ahnung oder sonst irgendwelche Ideen?
- Woher kann die eigentlich unpassende bei ihm standarmäßige Sinusbradykardie kommen?
- Kennt sich irgendwer mit den Untersuchungsbefunden aus? Einige sind für mich als Laie nämlich schon hoch?
- Was heisst: Herz VHS 8,3 prominenter Aortenbogen
- Eine AV-Blockierung (eine Vermutung eines Users) ist doch eher dauerhaft als temporär, oder?


Vielen Dank fürs Lesen und in der Hoffnung auf wertvolle Antworten
s.hertzsch
Beiträge: 192
Registriert: So Aug 02, 2015 10:47 am

Re: HCM? mit Galopprhythmus und ansonsten Bradykard?

Beitrag von s.hertzsch »

Guten Tag,

unter einem Galopprhythmus versteht man einen Auskultationsbefund, welcher durch das Vorliegen eines zusätzlichen Herztones bedingt ist. Dieser zusätzliche Herzton ist zumeist die Folge einer zugrundeliegenden Herzerkrankung. Bei Katzen tritt er gerne im Zusammenhang mit einer ausgeprägten Hypertrophen Kardiomyopathie auf. Es gibt jedoch auch andere Erkrankungen, bei denen ein Galopprhythmus zu hören ist. Durch Stress kann er aber nicht ausgelöst werden. Manchmal kann bei einer sehr schnellen Herzfrequenz der Eindruck eines Galoppes entstehen, wobei in diesen Fällen kein wirklicher Galopprhythmus vorliegt.

Eine Bradykardie also zu langsame Herzfrequenzen kann physiologisch bedingt sein, zum Beispiel bei Patienten mit einem sehr ausgeprägten Vagustonus, kann aber auch durch Medikamente, systemische oder kardiale Erkrankungen ausgelöst werden. Um dies näher zu differenzieren sind weiterführende diagnostische Schritte vor allem eine vollständige kardiologische Untersuchung notwendig. Zu den Bradyarrhythmien zählt unter anderen auch ein AV-Block 3. Grades, welcher teilweise nur intermittierend auftreten kann. Dies sollte jedoch, falls er nicht bereits im Kurzzeit-EKG ersichtlich ist, im Rahmen einer 24-Stunden-EKG Untersuchung nachzuweisen sein.

VHS steht für Vertebral Heart Score und ist eine objektive Evaluierung der Herzgröße im Röntgen. Bei Katzen liegt dieser Wert normalerweise unter 8. Werte zwischen 8 bis 9,3 bedürfen weiterführende Abklärungen im Rahmen einer Echokardiographie um eine mögliche Kardiomyopathie auszuschließen. Bei einem Wert von >9,3 ist von einer kardialen Erkrankung auszugehen, wobei diese jedoch ebenfalls durch eine Echokardiographie evaluiert werden sollte. Je älter die Katze desto mehr neigt sich das Herz dem Brustbein zu. Dadurch erscheint bei manchen Katzen der Aortenbogen im Röntgen prominent d.h. größer als sonst. Jedoch kann ein prominenter Aortenbogen auch bei einigen Erkrankungen beobachtet werden, weshalb in diesen Fällen ebenfalls eine echokardiographische Abklärung sinnvoll ist.

Prinzipiell ist zu sagen, dass es sich bei Ihrem Kater um einen komplexeren Fall zu handeln scheint, weshalb es mir ohne Ihren Kater selbst untersucht zu haben und ohne die genauen Befunde zu kennen, nicht möglich ist all Ihre Fragen adäquat zu beantworten. Wenn Sie daher weiterhin offene Fragen haben, empfehle ich Ihnen diese persönlich mit uns oder einem Kardiologen Ihres Vertrauens zu besprechen.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Hertzsch
Team Tierkardiologie
Medizinische Kleintierklinik
Ludwig-Maximilians-Universität München
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